Ein paar Arbeitskollegen und ich haben gestern unsere erste Runde Ten Candles gespielt.
TL;DR: War geil, machen wir wieder.
Kurze Beschreibung des Spielsystems:
Bei Ten Candles handelt es sich um ein Tragic Horror RPG (wichtig: nicht Survival Horror ), bei dem ein Kernelement ist, dass vor 10 Tagen die Welt dunkel geworden ist. Sonne, Mond, Sterne, alle verschwunden, oder zumindest nicht mehr sichtbar. Vor 5 Tagen sind SIE gekommen und über SIE weiß man nur zwei Dinge: SIE meiden das Licht; SIE jagen Menschen.
Wichtigste Utensilien sind 10 Kerzen (Teelichter), die man anzündet, wobei jedes Teelicht für eine Szene im Spiel steht. Erlischt eine Kerze, egal aus welchem Grund, endet die aktuelle Szene. Anders herum, schafft ein Spieler eine Würfelprobe nicht, endet ebenfalls die aktuelle Szene, und eine Kerze wird gelöscht. Man spielt übrigens in einem komplett dunklen Raum, der nur durch diese 10 Kerzen erleuchtet wird.
Charaktere bestehen aus keinen komplexen Charakterbögen, sondern nur aus vier Eigenschaften. Einem Vorteil, einem Nachteil, einem Moment, der ihm Hoffnung bringt, und einem dunklen Geheimnis (wozu ist er fähig, wenn sämtliche Hoffnung verloren ist). Diese Eigenschaften stehen auf Karteikarten, die man im Laufe des Spiels verbrennen kann, um die entsprechende Eigenschaft zu nutzen, um eine Probe erneut zu würfeln, oder einen zusätzlichen Würfel zu bekommen.
Proben werden immer gewürfelt, wenn eine Aktion der Spieler ein unbekanntes Ergebnis hat. Wenn sie zum Beispiel einen Raum durchsuchen oder eine Tür öffnen, wird gewürfelt. Und zwar mit so vielen Würfeln (W6), wie Kerzen brennen. Jede 6 ist ein Erfolg, Jedoch wird jede 1 für den Rest der Szene aus dem Würfelpool entfernt.
Der Spielleiter Würfelt so viele Würfel, wie Kerzen erloschen sind. Hat der Spieler mehr 6er gewürfelt als der Spielleiter, darf er erzählen, wie es weiter geht (also was sie in dem Raum finden, was hinter der Tür ist, usw.
Hat der SL mehr oder gleich viele 6er gewürfelt, ist die Probe trotzdem bestanden, aber der Spielleiter hat das Erzählrecht, und erzählt wie es weiter geht. Hat der Spieler keine 6 gewürfelt, ist die Probe misslungen. Das Erzählrecht geht an den SL, und die Szene endet (Kerze erlischt).
Dadurch ergibt sich zwangsläufig, dass die Spieler zu Beginn noch viele Proben schaffen und selbst die Welt gestalten, zum Ende hin das Erzählrecht aber immer mehr zum SL verschoben wird. Aber auch im Laufe einer Szene wird es durch die entfernten 1er Würfel immer schwerer Proben zu bestehen.
Wer SIE sind kann (wird) sich von Spiel zu Spiel unterscheiden. Nur die oben genannten Fakten sind bekannt, alles andere ergibt sich während des Spiels. Es können also in einem Spiel Aliens sein, in einem anderen Zombies, Vampire, Dämonen, Roboter, oder was auch immer man sich ausdenken mag
Während des Spiel verlöschen immer mehr Kerzen, es wird immer dunkler, bedrückender (der Effekt verstärkt sich, je größer der Raum ist ) und immer bedrohlicher. Denn am Ende läuft es auf eins hinaus: Wenn die letzte Kerze brennt bedeutet eine misslungene Probe nicht, dass die Szene endet, sondern, dass der Charakter stirbt. Am Ende sind immer alle Charaktere tot. (Darum: nicht Survival ).
Das wissen natürlich die Spieler, aber nicht die Charaktere. Man kann also die Dunkelheit und SIE nicht besiegen, dennoch haben die Charaktere Hoffnung zu überleben. Genau darum geht es, um eine möglichst spannende Geschichte über die letzten Stunden einer Gruppe Überlebender.
Fest steht dabei immer nur eine groß umrissene Ausgangssituation, ein Ziel (das die Charaktere natürlich nie erreichen werden) und die Tatsache, dass SIE gekommen sind um Menschen zu jagen. Alles andere wird danach komplett improvisiert.
Unser erstes Spiel gestern war sehr interessant. Auch wenn das Spiel von der dunklen und bedrohlichen Atmosphäre lebt und wir ein paar echte Atmosphärekiller dabei hatten, gelang es uns zusammen eine wirklich coole Geschichte zu erleben und die Horror-Stimmung doch etwas rüber zu bringen.
In unserem Spiel bestand die Gruppe Überlebender aus einem Rennfahrer, einem VersicherungsFACHangestellten (legte er Wert drauf, als ich ihn „Versicherungsangestellten“ genannt habe), einem Journalisten und einem (Kleiner Stimmungskiller 1) 28 jährigen Ex-Elitesoldaten. Alle zusammen haben die letzten Tage in einem Hotelzimmer eines Urlaubsresorts auf einer Insel verbracht, doch sowohl Nahrung als auch Notstrom für die ohnehin schon flackernden Lichter gingen langsam zur Neige. Glücklicherweise hatten sie kürzlich durch ein Funkgerät einen ganz schwachen Funkspruch gehört. Offenbar sucht ein Schiff der Küstenwache nach überlebenden. Ihre einzige Chance war, auf die nördliche der beiden Inseln überzusetzen und dort irgendwie das Schiff zu kontaktieren.
Sie brachen also auf und durchsuchten zuerst einige Zimmer des Hotels, vor allem das Büro, und fanden eine Taschenlampe, deren Batterien aber bereits sehr schwach waren. Sie entschieden sich, statt die Insel zu Fuß zu überqueren, sich eher nach Süden zum Fischereihafen zu bewegen, um von dort mit einem Boot um die Insel herum zur nördlichen Insel zu fahren. Sie fanden vor dem Hotel ein paar funktionstüchtige Fahrräder.
Auf dem Weg beschlich sie schon die ganze Zeit das Gefühl, dass dort draußen in der Dunkelheit irgendetwas ist, aber bis auf ein paar, vielleicht sogar eingebildete Bewegungen aus dem Augenwinkel, konnten sie nichts sehen.
Sie kamen an einem Haus vorbei, wo in einem der Fenster ein schwacher Kerzenschein zu sehen war. Da es auch noch fürchterlich gewitterte und regnete, suchten sie in dem Haus Unterschlupf. Im oberen Stockwerk hörten sie Schritte, und kurz darauf begann der Dialog mit einer Person. Man traute sich gegenseitig nicht, und so ging niemand nach oben, und auch diese Person kam nicht herunter.
Als die Gruppe das Haus verlassen wollte, hörten sie von oben einen unnatürlichen Schrei. Der Ex-Soldat ging nachsehen, fand aber dort weder eine Kerze, noch einen überlebenden. Nur eine Leiche, aber diese musste schon mindestens 4 Tage lang tot sein. Als der Ex-Soldat dann auch noch am Fenster eine Bewegung sah, oder zumindest nur den Schatten, verließen sie panisch das Haus und fuhren weiter Richtung Hafen.
Dort fanden sie ein Fischerboot, was sie nutzten, um die Insel zu umfahren. Auf der Insel verlöschten plötzlich sämtliche Lichter und unnatürliche Schmerzensschreie waren zu hören, und auch im Wasser um das Boot herum bewegten sich immer wieder seltsame Schatten.
Als der Versicherungsfachangestellte dann unter Deck ging, um das Boot nach nützlichem zu durchsuchen, bemerkte er, dass das Boot ein leck haben muss. Sie schafften es gerade noch so zur nördlichen Insel, und auf einen blutgetränkten Strand. Dort, in einer Hütte, fanden sie die verkohlten Überreste einer Leiche, und zu ihrer Überraschung eine voll funktionsfähige, aufgeladene, helle LED Taschenlampe (es war inzwischen Szene 5 oder 6, sei es ihnen gegönnt, dass ich dort keine 6 gewürfelt hatte ^^).
Bei der Entscheidung, am Strand um die Insel herum zu laufen oder einen dunklen Weg durch einen Wald querfeldein zu nehmen, fiel die Wahl auf den Strand, nicht zuletzt weil ein Leuchten mit der Lampe in den Wald hinein zeigte, dass dieser voll mit diesen lebendigen Schatten war.
Sie flohen also weiter über den Strand und kamen an einen Ausguck der Küstenwache, der schon lange verlassen war. Beim Öffnen der Tür starrte der Journalist jedoch in eine tiefe unnatürliche Schwärze, die auch kurz darauf anfing sich zu bewegen, und schattenhafte Tentakeln zu formen, die nach ihm schlugen.
Panisch flüchtete die Gruppe weiter Richtung Norden, verfolgt von endlosen Scharen von Schattenwesen, die immer Näher kamen, hinter ihnen dieses größere Schattenwesen in dem Ausguck. Der Gruppenzusammenhalt wurde auch immer geringer, jeder dachte nur an sein eigenes Überleben, vor allem als in der Ferne auf dem Wasser die Lichter eines Schiffs sichtbar wurden.
Die Kondition war am Ende, aber der immer enger werdende Kreis an Schattenwesen inspirierte jeden einzelnen das letzte aus sich heraus zu holen und einfach weiter zu laufen. Der Rennfahrer versuchte dem Ex-Soldaten ein Bein zu stellen, damit die Schattenwesen diesen zuerst erwischen würden, brach sich dabei allerdings selbst den Knöchel, und konnte nur unter größten Schmerzen weiter fliehen. Zu diesem Zeitpunkt brannten noch 3 Kerzen.
Die Charaktere spürten wie die Schatten immer näher kamen, hörten sogar schon ihre unnatürlichen Stimmen, wie hunderte, die wie einer sprachen „Wir kriegen euch“, „es ist zwecklos“…
Der Ex-Soldat und der Versicherungsmann sprangen ins Wasser und schwammen auf das Schiff zu, während der schwer verletzte Rennfahrer am Strand zusammen brach, und auch der Journalist zu erschöpft war um noch weiter zu laufen.
Die letzte Kerze brannte.
Der erste Angriff der Schatten zielte auf den Journalisten, der versuchte unter höchsten Anstrengungen sich zum Wasser zu schleppen. Er versuchte einem Angriff auszuweichen, sprang dabei aber direkt in eine andere Gruppe von Schattenwesen. Dunkelheit verschlung ihn komplett, und nach dem Ansatz eines Schmerzensschreis, war er komplett verschwunden.
Auch im Wasser zogen die Schatten ihre Kreise enger um die Schwimmer, umschlungen den Ex-Soldaten und zogen ihn unter Wasser. Schnell sank er in Richtung der Dunkelheit unter ihm, sah den lichtkegel der Taschenlampe des anderen Schwimmers sich schnell immer weiter entfernen, und während seine Lungen sich mit Wasser füllten, ertrank er.
Der schwer verletzte Rennfahrer verlor langsam den Verstand, hatte jegliche Hoffnung verloren und versuchte sich mit einem Stein den Schädel zu zertrümmern. Er hielt noch einmal kurz inne, sah sein Leben an ihm vorbei ziehen, als aus diesem Stein ein großer Schatten wuchs, und er von dieser Aura aus purer böser Dunkelheit komplett verbrannt wurde.
Zur Überraschung aller schaffte es der Versicherungsmann sich bis zum rettenden Schiff vorzukämpfen (eine 6 auf einem Würfel, und keine 6 auf meinen 9 Würfeln… Respekt…), kurz bevor er die rettende Leiter erreichte jedoch erloschen sämtliche Lichter auf dem Schiff, und ein riesiger Schatten wuchs aus diesem Schiff, umschlung ihn, drang durch sämtliche Körperöffnungen in ihn ein und hob ihn hoch aus dem Wasser. Er hörte noch eine tiefe, dämonische Stimme, die sagte „Wir haben euch doch gesagt, dass wir euch kriegen“, kurz bevor sein Körper von innen heraus explodierte.
Die letzte Kerze ging aus, und ich spielte die zu Beginn aufgenommenen „Letzten Nachrichten“ der Überlebenden ab. Ein extrem stimmungsvoller Moment, und auch kurz danach war eis noch ein paar Sekunden totenstill im Raum.
Fazit nach dem ersten Spiel: Sehr cooles Spiel, klasse Atmosphäre, wenn man eine Gruppe hat, die sich drauf einlässt.Gerade ein eher „munchkinmäßiger“ Spieler kann hier viel kaputt machen, wenn der Grundsatz, dass am Ende alle sterben, ignoriert wird, und man SIE einfach doch irgendwie besiegen will. Glücklicherweise war keiner von meinen Kollegen so ein Spieler, und es war echt schön zu sehen, dass auch wenn die Spieler das Erzählrecht hatten, auch ein paar Hindernisse eingebaut wurden.
Apropos Erzählrecht. Die ersten Szenen hat man als Spielleiter wirklich wenig zu tun. Die Spieler schaffen viele Proben und können die Umgebung formen. Aber nach und nach verschob sich das immer mehr zu mir hin. Die Proben wurden schwieriger (weniger Würfel), ich konnte immer mehr das Erzählrecht auch bei gelungenen Proben an mich nehmen (gewürfelte 6en von mir) und die Szenen wurden immer kürzer und schneller. Bis zum Höhepunkt in der letzten Szene, in der SIE einen nach dem anderen doch erwischen und töten.
Auch wenn ich etwas Sorge bezüglich des vielen Improvisierens hatte, ging das echt gut, die Spieler liefern viel Input, um den man seine eigenen Ideen dann herum stricken kann. Von daher: es stimmt. Es ist wirklich ein Zero-Prep System. Denn jede Vorbereitung seitens des SL ist mit der ersten Aktion der Spieler hinfällig. Selbst das Konzept für SIE kann, da bei der Charaktererschaffung ein Spieler eine Eigenschaft von IHNEN festlegen darf, komplett hinfällig sein.
Also wir fanden es durchweg gut und haben schon den nächsten Termin. Einige echt coole Überraschungen, die ich hier nicht nennen werde, fallen zwar weg, wenn man schon einmal gespielt hat, das tut dem Ganzen aber keinen Abbruch.
Noch ein Tipp: Benutzt keine Karteikarten, wie es das Regelbuch vorschlägt, benutzt etwas, das nicht zwecks Stabilität mit einer dünnen Plastikschicht überzogen ist und beim Verbrennen fürchterlich qualmt und stinkt